Nichts Neues im Kinderzimmer

Alte Rollenklischees...

Es hat sich leider so gar nichts geändert… Auch aktuelle Untersuchungen zur Erziehung von Mädchen und Jungen zeigen, dass schon im Kleinkindalter das Geschlecht den Unterschied macht:

 

""Weinten die Kinder oder riefen nach ihrem Papa, reagierten Väter von Töchtern darauf schneller und stärker als Väter von Söhnen" (…)  Weitere Unterschiede offenbarten sich beim Spielen und Sprechen mit den Kleinkindern. So sangen Väter mit Töchtern häufiger. Außerdem nutzten sie vermehrt Wörter, die negative Emotionen ausdrücken, zum Beispiel "weinen", "Tränen" oder "einsam". Zusätzlich verwendeten sie auch mit dem Körper assoziierte Begriffe wie "Bauch", "Gesicht" oder "Füße" öfter. Mit Söhnen verbrachten die Probanden dagegen mehr Zeit mit Kampf- und Tobespielen. Zudem war ihr Vokabular vermehrt von Wörtern geprägt, die mit Erfolg und Leistung in Verbindung stehen – etwa "der Beste", "gewinnen" oder "super". Auch analytische Sprache verwendeten sie vergleichsweise häufiger (…)." (1)

 

Mädchen werden weiterhin zu passivem und vorsichtigem Verhalten erzogen, Jungen dazu, sich selbstbewusst die Welt zu erobern. Wie erfolgreich Kinder das spätestens im Kindergartenalter verinnerlicht haben, zeigen Beobachtungen in Kitas aus dem Jahr 2010:  "Jungen nehmen mehr Platz in Anspruch, und sind auch akustisch dominanter als Mädchen. (…) Mädchen schützen sich vor der "Invasion" der Jungen, indem sie sich an sichere Orte zurückziehen (in ein Häuschen, unter den Tisch, in die Ecken)." (2)

 

Aber nicht alle Mädchen sind mit der ihnen auferlegten Zurückhaltung zufrieden:  "Etwa 20 Prozent der Mädchen schreibt (im Jahr 2010, Anm. von mir), dass sie manchmal auch gern ein Junge wären, und zwar mit Verweis auf größere Bewegungs- und Handlungsfreiheit: Jungen dürfen Fußball spielen, auf Bäume klettern, sie dürfen mehr Blödsinn machen. Mädchen beneiden Jungen: "Sie haben mehr Power als Mädchen". –"Jungen haben mehr Abenteuer in ihrem Leben"." (3)

 

Eltern verhindern, dass ihre Töchter Eigeninitiative und Selbstvertrauen entwickeln: "Jerome Kagan von der amerikanischen Harvard University glaubt, dass Mädchen vor allem lernen Angst zu haben: Weil Eltern gegenüber Mädchen häufiger überfürsorglich und überbehütend sind und Töchter zu oft zur Vorsicht mahnen. Lassen Eltern sie dagegen ihre eigenen Erfahrungen machen, indem sie sie zum Beispiel nicht übermäßig trösten, wenn sie gefallen sind, werden solche Mädchen nach seiner Beobachtung deutlich weniger ängstlich." (4)

 

Mit mehr Ermutigung würden auch die Mädchen lernen, sich selbstbewusst Freiräume zu schaffen und sich in der Welt zu behaupten.

 

... und eine Ausnahme

 Die meisten Eltern beteuern zwar, dass sie ganz allgemein für die Gleichberechtigung der Geschlechter sind, den eigenen Kindern aber vermitteln sie althergebrachte Rollenklischees – aus Angst, Tochter oder Sohn könnten sonst abgelehnt werden oder nicht mehr für das andere Geschlecht attraktiv sein. Leider trägt diese Erziehung dann wiederum dazu bei, dass von der Norm abweichendes Verhalten auf Ablehnung trifft. Aber es geht auch anders: 

 

Nils Pickerts Sohn zieht nun einmal gerne Röcke an – und ruft damit bekannte Reaktionen hervor: 

""Das ist falsch, was du anhast", rufen ihm die Kinder in der neuen Kita zu. Sie grenzen ihn aus, hänseln ihn. Als sein Vater ihn abholt, fragen die anderen Eltern: "Machen Sie sich denn keine Sorgen, dass ihr Sohn schwul werden könnte?"" (5)

 

Nils Pickert ist anderer Meinung: "Es ist nicht meine Aufgabe, meinen Sohn von seiner Vorliebe für Röcke abzuhalten. Es ist meine Aufgabe, ihm dabei zu helfen, sie selbstbewusst zu tragen." (6) Aus diesem Grund greift er auch zu  unkonventionellen Mitteln: Er trägt selbst einen Rock, als er seinen Sohn in die Kita begleitet: ""Trägst du jetzt auch plötzlich Röcke?", fragt ein Junge.  "Klar", antwortet Pickert. "Heute ist doch Rocktag. Wusstest du das nicht?"" (7) - und erreicht damit zweierlei: sein Sohn steht selbstbewusst zu seinen Vorlieben, und die anderen Kinder lernen, dass Rock tragen für einen Jungen etwas ganz Normales sein kann.

 

Dieser Vater und sein Sohn verändern unsere Gesellschaft.

 

 

(1) Väter gehen mit Töchtern anders um. Rollenklischees beeinflussen Verhalten gegenüber Kleinkindern.      http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21506-2017-05-29.html, Zugriff 03.04.18

(2) Véronique Ducret & Véronique Le Roy: Nicos Puppe und Sophies Lastwagen. Handbuch für die Beo-

    bachtung von Interaktionen zwischen pädagogischen Fachpersonen, Eltern und Mädchen und Jungen.

    https://www.mmi.ch/files/downloads.php?file=2d0ad03fec20122b33c261724e5f3136&name=Brosch

    %C3%BCre%20%22Nicos%20Puppe%20und%20Sophies%20Lastwagen%22.pdf Zugriff 4.12.2019,         S. 27

 

 (3) Renate Valtin: "Warum ich gern ein Mädchen oder ein Junge bin." Selbstbilder und Stereotype von

    Mädchen und Jungen.

    https://www.google.de/url?url=https://www.gender.hu-berlin.de/de/publikationen/gender-bulletins

    /bulletin-texte/texte37/texte37pkt8.pdf&rct=j&frm=1&q=&esrc=s& sa=U&

    ved=0ahUKEwja1r3v7pXaAhULzKQKHVOcDksQFgghMAM&usg=AOvVaw28iwXyCRqegxqUMIEzsjBJ

    Zugriff 07.12.2019, S. 104

 

(4) Gabriele Möller: Typisch Mädchen - typisch Junge?  

      https://www.urbia.de/magazin/familienleben/typisch-maedchen-typisch-junge. Zugriff 4.12.2019

 

(5) Anne Fromm: Junge im Rock. Eine Familie zieht von Kreuzberg in die süddeutsche Provinz. Der   

     fünfjährige Junge trägt gern Mädchensachen. Warum ist das eigentlich ein Problem?

     https://www.zeit.de/2014/38/stereotypen-geschlechterrolle-erziehung/komplettansicht

     Zugriff 06.03.2019

 

(6) Ebd.

 

(7) Ebd.

 

 

 

© 2019 Irene Goldmann