Die Ehe ist ein "Vertrag"

Wie unromantisch!

Auch wenn niemand es gerne deutlich ausspricht, schließen die Ehepartner bei ihrer Heirat doch so etwas wie einen "Vertrag":

 

"Das Vertrackte ist, dass Sie sich bei Eingehung einer Ehe auch sehr viele "Vertragsbedingungen" einhandeln, die Ihnen nur niemand vorher genau aufzeigt. Sie erhalten weder einen schriftlichen Vertrag, noch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), noch eine Bedienungsanleitung. Aber die rechtlichen Folgen Ihres Ja-Wortes sind gravierend und fortan leben Sie in einer Art Vertragsverhältnis, das möglicherweise viele für sie (sic!) überraschende Klauseln enthält." (1)

 

Und weil diese rechtlichen Veränderungen auch das Finanzielle betreffen, hält es der Paarberater Michael Mary für unverzichtbar, in einer Beziehung über Geld zu sprechen: "Die finanzielle Vorsorge und Weitsicht ist eine Beziehungsgrundlage, sie ist existenziell." (2)

 

Das Gefühl hat zurecht Einzug in die Ehe gehalten: Mit der Liebesheirat wurde die Grundlage geschaffen, dass sich Frauen ihre Partner selbst wählen konnten. Heute aber hat sich dieser Fortschritt für die Emanzipation der Frau in sein Gegenteil verkehrt. Jetzt dient die Forderung nach Gefühl dazu, die Vernunft auszublenden und möglichst naiv in die Ehe zu gehen:""Frauen lieben romantischer", sagt Michael Mary und stellt fest: "Deswegen sind sie nachher auch oft ärmer."" (3)

 

Aus der Möglichkeit, aus Liebe zu heiraten, hat sich ein Dogma entwickelt: nämlich das, n u r aus Liebe zu heiraten. Und das gilt auch wieder mehrheitlich für die Frauen: "85 Prozent der Frauen 76 Prozent (sic!) der Männer geben die "Liebe" als das größte Argument für die Hochzeit an. 16 Prozent der männlichen Befragten sind außerdem der Meinung, dass rechtliche oder steuerliche Gründe eine besondere Relevanz für die Eheschließung darstellen. Bei den Frauen sind es in diesem Punkt nur 8 Prozent." (4)

 

Weil romantische Gesichtspunkte bei einer Heirat die größte Rolle spielen sollen, rührt man an nichts, was die gemeinsame Gefühlsduselei stören könnte. Gesetzgeber und Gesellschaft helfen eifrig mit, die rechtlichen und finanziellen Folgen einer Ehe unter den Teppich zu kehren. Und so hängen die Frischvermählten mit romantisch vernebeltem Blick Vorstellungen nach, die nur wenig mit der Realität zu tun haben...

 

 

 

 

Uns gehört doch eh alles zusammen.....

Mann und Frau werden eins – so ist es in der romantischen Liebesehe! Warum sollte das nicht auch für Geld und Vermögenswerte gelten:

 

"98% der Frauen in einer mehr als 20-jährigen Ehe glauben, dass alles, was in ihren Ehen erworben wurde und wird, ihnen und ihren Ehemännern gleichermaßen gehört: Häufig sind dies Frauen mit traditioneller Rollenteilung und geringer Erwerbstätigkeit. 77 % der Frauen in einer seit mehr als zehn Jahren bestehenden Ehe gehen davon aus, dass das gesamte Vermögen beiden Partnern gemeinsam gehört." (5)

 

Wenn der Ehemann gut verdient und Kinder und ein großer Haushalt da sind, verlässt sich Frau gerne auf den "gemeinsamen Topf":


"Gleichwohl vertrauen viele Frauen auch nach vielen Ehejahren fest darauf, dass der Rahmen der Ehe sie weiterhin persönlich schützt – gerade weil sie einen Teil ihrer Berufsperspektiven und Möglichkeiten zur eigenständigen materiellen Versorgung aufgegeben bzw. an ihren Ehemann übertragen haben. Irrtümer über ehegüter-rechtliche Regeln ("alles gehört beiden gemeinsam jeweils zur Hälfte") werden mit zunehmender Dauer einer Ehe nicht beseitigt, sondern durch den gemeinsamen Alltag verstärkt und verfestigt." (6)

 

Die wenigsten Ehefrauen, die nicht oder Teilzeit arbeiten, würden sich als finanziell abhängig von ihrem Mann bezeichnen. Sie glauben an ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Und daran, dass sie sich die Versorgung durch ihren Mann verdienen - auch für die Zeit nach einer Scheidung.

 

Tatsächlich haben sie kräftig in das gemeinsame Vermögen investiert: Sie arbeiten nur so viel, dass Haushalt und Kinderbetreuung nicht zu kurz kommen und verzichten dadurch heute auf eigenes Geld und in der Zukunft auf eine gute Altersversorgung. Ihre Männer können sich – von Hausarbeit und Kinderbetreuung weitestgehend befreit – auf ihr berufliches Fortkommen konzentrieren.

 

Nutzt ein Paar das Ehegattensplitting, haben Frauen meist die schlechtere Steuerklasse und weniger Netto im eigenen Geldbeutel – und tragen auf diese Weise zum besseren Verdienst ihrer Männer bei.

 

Von dem sie so lange - und nur so lange! - sie verheiratet bleiben auch selbst profitieren...

 

 

 

Nach einer Scheidung sieht das anders aus!

 

ine Scheidung bringt die meisten Frauen unsanft auf den Boden der juristischen Tatsachen. Plötzlich merken sie, dass es den "gemeinsamen Topf" nie gegeben hat.

 

"Das jeweilige Vermögen der Ehegatten wird nicht deren gemeinschaftliches Vermögen; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt." (§ 1363 II BGB).

 

Lediglich der "Zugewinn" (das in der Ehe erwirtschaftete Vermögen jedes Partners abzüglich dessen, was an Vermögen vor der Ehe bestanden hat) wird ausgeglichen. Pech für die, die vor der Heirat versäumt haben, das eigene Vermögen als Anfangsvermögen zu dokumentieren. Ohne diesen Nachweis wird es später komplett als "Zugewinn" mit dem des Ex-Partners ausgeglichen.


Nichts regelt sich von alleine! Der Gesetzgeber geht im Gegenteil davon aus, dass ich auch während der Ehe die Einkommens- und Vermögensverhältnisse meines Partners nicht nur kenne, sondern entsprechende Unterlagen auch fotografiere! Nur für den Fall, dass mein Exmann seine finanzielle Situation vor Gericht ganz anders schildert als bisher angenommen:

 

"Für eine neue bzw. richtige Berechnung des Unterhalts reicht es nicht aus, auf die falschen Angaben hinzuweisen und Behauptungen aufzustellen. Vielmehr sind hierfür Beweise notwendig." (7)

 

Auch ohne Ehevertrag bleibt immer die Notwendigkeit, mit dem Partner in aller Offenheit über Geld zu reden. Gerade wer sich für den Lebensunterhalt nach einer Trennung auf den Gesetzgeber verlässt, muss die für ihn geltende Rechtslage unbedingt kennen:

 

"Wenn Sie einen Kühlschrank kaufen wollen, erkundigen Sie sich auch vorher genau und erhalten bei Abschluss des Kaufvertrages in der Regel eine Unmenge von kleingedruckten Vertragsklauseln und eine mehrseitige Bedienungsanleitung, damit Sie genau wissen, was zu tun ist, wenn er nicht funktioniert oder Mängel aufweist. Und Sie gehen natürlich nicht davon aus, dass ausgerechnet dieser Kühlschrank nicht funktionieren oder frühzeitig seinen Geist aufgeben könnte. Aber die Vertragsklauseln, die Sie kennen und vereinbart haben, geben Ihnen die Ruhe und Gewissheit, was zu tun wäre, wenn…. Und sie kaufen nur einen einzelnen Kühlschrank !" (8)


Um beim Kühlschrankvergleich zu bleiben: Im Scheidungsfall wird es genauso unromantisch wie beim Garantiefall. Da wird dann plötzlich relevant, ob ich das Kleingedruckte gelesen habe und wusste, wie ich den Kühlschrank sachgerecht zu nutzen habe. Ähnlich setzt das Scheidungsrecht voraus, dass die Ehepartner wissen, welche allgemeinen rechtlichen Regelungen für sie nach einer Scheidung gelten und sich schon während der Ehe danach verhalten: Das neue Unterhaltsrecht 2008 verlangt eine partnerschaftliche Aufgabenverteilung in der Ehe, die allen Frauen - auch den Müttern - eine Vollzeitarbeit erlaubt. Denn nur dann können sie im Scheidungsfall wirklich sicher für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen.

 

 

 

(1) Heidrun Sorgalla: Das A und O der Liebe: der Ehevertrag.

     http://sorgalla.zum-recht.de/ehevertrag Zugriff 01.01.2019

 

 

(2) Ildikó von Kürthy: Problemzonen. Zeitschrift "Brigitte", Hamburg, Ausgabe vom 

     23.11.2016

 

(3) Ebd. 

 

(4) https://www.hochzeit.com/154/Q/umfrage-wie-maenner-und-frauen-

     ueber-die-ehe-denken/ Zugriff 10.10.20

 

 

5) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sinus sociovision:  

   Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf. Einstellungen, Motive,

   Kenntnisse des rechtlichen Rahmens. Befragte: Alter zw. 18 und 60 Jahren.

   5. Aufl. 2014, S. 50

 

    http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen

   /Partnerschaft-und-Ehe,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,

  rwb=true.pdf, Zugriff 28.12.2015

 

(6) Ebd. S. 61

 

 

(7) Betrug beim Unterhalt

      https://www.rechtslupe.de/familienrecht/betrug-beim-unterhalt-3201517 Zugriff 06.01.21

 

 

(8) Heidrun Sorgalla: http://sorgalla.zum-recht.de/ehevertrag/ Zugriff 01.01.2019