Freiwillig in die Abhängigkeit

Wenn Frauen die Erfüllung ihrer Bedürfnisse an den Mann delegieren, richten sie in ihrem Leben und möglicherweise in dem ihrer Kinder erheblichen Schaden an. Das gilt vor allem auch in Bezug auf den persönlichen Lebensunterhalt: Die wirtschaftlichen Folgen einer Trennung können sich dann für Frauen verheerend auswirken.

 

Berufsausbildung und Teilzeitjob geben unserem Leben den Anstrich von Emanzipation und Selbstbestimmung, und verbergen nur notdürftig die Tatsache, dass wir uns in materieller Hinsicht nach wie vor auf den Mann verlassen.

 

Gleichzeitig sorgt unser Liebeskonzept dafür, dass wir uns immer schneller trennen. Weil die unglaublichen Erwartungen, die wir in eine Partnerschaft haben, zwangsläufig enttäuscht werden müssen.

 

Aber nicht nur unser Liebesideal, auch unser Konzept von Mutterschaft und Kindererziehung hintertreibt alle Möglichkeiten, gleichberechtigt zu leben.  In unseren  Familien sind wir diejenigen, die ihre Bedürfnisse zurück stellen. Als Mütter ergänzen wir das Kreisen um den Mann  durch einen weiteren  Lebensmittelpunkt: das Kind.

 

Die Mutterrolle ist dabei genauso mit unrealistischen Versprechungen aufgeladen wie unsere Vorstellung von der Liebe: Analog sollen im "Schlaraffenland Familie" die gestiegenen Ansprüche der modernen Frau aufgenommen und restlos befriedigt werden. Ohne Kinder scheinen Selbstverwirklichung und Sinn gar nicht mehr möglich. Doch wenn es vor allem wir sind, die sich um den Nachwuchs kümmern, kommen wir mit unseren Bedürfnissen zu kurz.

 

Am Ende entpuppt sich unsere Vorstellung von Mütterlichkeit genauso als Falle wie unser Liebesideal: statt umfassender Glückseligkeit reiben wir uns zwischen Ansprüchen auf, die nicht miteinander zu  vereinen sind. Und was noch schlimmer ist: Die Rolle als Mutter hilft uns erst recht, zu verdrängen, dass wir auch in materieller Hinsicht für uns selbst verantwortlich sind. Eine Scheidung bringt uns möglicherweise an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds. Im Jahr 2010 bezog fast ein Drittel der alleinerziehenden Frauen Sozialleistungen:

 

"Bei der Finanzierung des überwiegenden Lebensunterhalts sind auch 30 Prozent der alleinerziehenden Mütter auf Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen." (1)
 

Wie die beiden Konzepte von Liebe und Mütterlichkeit, die das Leben der Frauen von heute maßgeblich bestimmen, entstanden sind, und wem sie nützen, ist hier genauso Thema wie die Entwicklung alternativer Vorstellungen, die es uns erlauben, mit Selbstverantwortung zu handeln und entsprechend unserer Bedürfnisse zu leben.

 

Emanzipation heißt heute nicht mehr ein bestimmtes Lebensmodell zu wählen, sondern,

sich - in egal welchem - emanzipiert zu verhalten!

 

 

 

 

(1) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Alleinerziehende in Deutschland – Lebenssituationen und Lebenswirklich­keiten von Müttern und Kindern, Monitor Familienforschung 28, Juli 2012, S. 20

 

 

 

 

© 2019 Irene Goldmann